Am 16. März 2021 verlor die Welt des Motorsports einen ihrer größten Sterne. Ein Stern, der zweifelsohne auf der Nürburgring-Nordschleife am hellsten leuchtete. Die deutsche Ausnahmerennfahrerin Sabine Schmitz erlag im Alter von nur 51 Jahren ihrem Krebsleiden. Ein Nachruf.
Am Fuß der Nürburg aufgewachsen
Im Schatten der Nürburg aufgewachsen – eine Floskel, die auf Sabine Schmitz tatsächlich zutrifft. In Adenau, einem Streckenteil der Nordschleife, kam sie schon allein aufgrund der räumlichen Nähe zur legendären Nürburgring-Nordschleife sehr früh mit dem Motorsport in Kontakt. Dies, obwohl ihre Familie anfangs davon ganz und gar nicht begeistert war: Frauen* im Rennsport, das war zu Beginn der 1990er-Jahre immer noch äußerst ungewöhnlich.
Und das noch dazu auf einem ganz besonderen Asphaltband. Denn die über 20 Kilometer lange Nordschleife ist keine moderne Rennstrecke. Unübersichtliche, uneinsehbare Kurven, blinde, tückische Kuppen, schwindelerregende Neigungen und Gefälle sowie häufig wechselnde Fahrbahnbeläge und ein launenhaftes Mikroklima machen die „grüne Hölle“ zu der anspruchsvollsten, spektakulärsten, aber auch gefährlichsten Rennstrecke der Welt. Wie auf einem Gemälde zieht sich die Schleife mit atemberaubenden Ausblicken weit über das Land, auf Täler und Dörfer durch die Eifelberge. Die Nordschleife passt sich ihrer Natur an und nicht umgekehrt, wie das heutzutage oft der Fall ist. „Als hätte man einen torkelnden Riesen mit Vollrausch losgeschickt, um die Strecke festzulegen”, soll ein englischer Journalist bei der Eröffnung 1927 treffend formuliert haben.
Kurz: Die Nordschleife ist ein Mythos, eine Legende. Ein unumstößlicher Teil dieser Legende war Sabine Schmitz.
Erste und bislang einzige weibliche* Siegerin der 24h Nürburgring
Den Gedanken, auf der Nordschleife auch Rennen zu fahren, ja vielleicht sogar zu gewinnen, setzte sie schon bald in die Tat um. Zusammen mit Johannes Scheid und Hans Widmann gewann Schmitz 1996 als erste und bis heute einzige Frau das weltberühmte und knochenharte 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife. 1997 konnte sie den Sieg beim 24-Stunden-Rennen wiederholen, 1998 gewann sie den Meistertitel in der Nürburgring-Langstreckenmeisterschaft. Mehr als 30.000 Runden soll sie auf der Nordschleife gefahren sein. Niemand kannte die grüne Hölle so gut wie Sabine Schmitz, zu Recht wurde sie als „Königin der Nordschleife“ bezeichnet.
Nicht nur wegen ihrer zahlreichen Erfolge feierten Rennsport- und Automobil-Fans die schnelle Pilotin, sondern vor allem wegen ihrer Authentizität. Nonchalant, bestens gelaunt und immer mit einem flotten Spruch auf den Lippen. Kein Wunder, dass sie bei den Gästen des BMW-Ringtaxis sehr gut ankam, mit dem sie über zehn Jahre lang Touristen im Renntempo über die Nordschleife chauffierte. Doch das war nicht immer so:
„Als ich als Fahrerin des BMW-Ringtaxis begann, gab es einige Männer, die ihr Geld vor der Fahrt zurückverlangt haben – schließlich sitze ja eine Frau am Steuer. Nach einer Runde mit mir buchten sie alle gleich noch eine Weitere, sofern ihr Magen das zuließ.“
Zahlreiche solcher herrlicher, allen männlichen Vorbehalten die Stirn bietenden Anekdoten schmückten das Leben der Sabine Schmitz.
Und auch als Rennfahrerin war sie bei Weitem kein Celebrity-Girl, dass sich Cockpits anbieten ließ. Nein, es war ihre deftige, ungeschönte Art, die Dinge klar und frei heraus anzusprechen. Dies gereichte ihr nicht immer zum Vorteil: Rund um den 258 Millionen Euro-Finanzskandal „Nürburgring 2009“ machte Schmitz ihren Mund auf. Eine Kritik, die sie schließlich ihren Job als Pilotin des BMW-Ring-Taxis kostete. Doch die „Speedbee“ blieb sich treu und ihr Optimismus, ihre Unbekümmertheit und vor allem ihre Lebensfreude machten sie zum Liebling aller Fans.
Von der Nordschleife in die Welt
Weltweit bekannt wurde sie in den Jahren 2004 und 2005 durch Auftritte in der populären BBC-Sendung „Top Gear“, die bis heute Kultstatus genießen. In einer 2005 ausgestrahlten Episode versuchte die Deutsche beispielsweise, einen alten Ford Transit in unter 10 Minuten über die Nordschleife zu bugsieren. 2016 übernahm sie schließlich die Co-Moderation der Neuauflage von Top Gear in England und wurde aufgrund ihrer mitreißenden und bodenständigen Art als Star gefeiert.
Krebs-Diagnose im Jahr 2017
Viel zu kurz war ihre Tätigkeit bei der britischen Kultserie: Bei Schmitz wurde 2017 ein Vulvakarzinom festgestellt, eine seltene Erkrankung im Genitalbereich. Es folgten zahlreiche Operationen und Chemotherapien. Selbst nach einem schweren septischen Schock ließ sie sich nicht unterkriegen und kämpfte sich 2019 nochmals ins Renncockpit zurück. Ein geplantes Comeback in der Saison 2020 musste Schmitz absagen, nachdem der Krebs zurückgekehrt war. Am 16. März 2021 verlor sie schließlich den jahrelangen Kampf. Seither grünt das Grün der grünen Hölle nicht mehr ganz so satt, so sagt man. Möge die gleichermaßen schnelle wie schlagfertige Kämpferin aus Adenau, die sich immer und immer wieder in einer Männerdomäne behauptet hat, als Inspiration und Motivation für Frauen* im Motorsport dienen.
Gastautor
Alexander Guglia
Alexander ist in Wien geboren und aufgewachsen. Er ist Jurist, Motorsportenthusiast und Bewunderer der schnellsten Frau aus Adenau. Die Förderung von Frauen im immer noch vor Testosteron triefenden Rennsport ist ihm ein besonderes Anliegen.
Fragen, Anregungen, hate mail an: alex@guglia.at