Vulva des Monats

Nawal El Saadawi – Die Mutter der Frauenrechte

Die international bekannte ägyptische Schriftstellerin und Feministin Nawal El Saadawi ist tot und hinterlässt ein Land in Trauer. Wie keine andere prägte und entfachte sie den Diskurs rund um Frauen*rechte in Ägypten; ihre Bücher – persönlich und schockierend – berührten die Welt. 

El Saadawi, geboren im Ägypten der 30er-Jahre, wächst am Land auf. Schon früh in ihrer Kindheit macht sie die Erfahrung, dass Mädchen* und Frauen* in der ägyptischen Gesellschaft wenig Platz haben. Dabei sind es vor allem die Frauen in ihrer Familie, die sie in die Schranken weisen und ihr die vermeintliche Minderwertigkeit von Frauen* vermitteln. Obwohl sie ein Mädchen ist, darf El Saadawi dank ihrer Spitzennoten Medizin in Kairo und New York studieren und kehrt nach ihrer Ausbildung zurück um als Landärztin zu arbeiten. Dabei ist sie oftmals auch mit Opfern von Genitalverstümmelung konfrontiert. El Saadawi arbeitet im Gesundheitsministerium, wo sie die Karriereleiter hochklettert und eine Zeitschrift herausgibt. Damit ist 1971 Schluss: Als sie den Aufsatz „Frau und Sexualität“ veröffentlicht, wird sie aus dem Gesundheitsministerium entlassen und die Veröffentlichung ihrer Zeitschrift verboten. 

Evas Gesicht

Davon lässt sich El Saadawi aber nicht einschüchtern – ihr Kampf für Frauenrechte geht weiter. Im Libanon gibt sie ihre Texte heraus und international ist sie ein gern gesehener Gast. Mit ihrem Buch „The Hidden Face of Eve“, das sie 1977 veröffentlicht, schockiert sie die Welt: Dort verarbeitet sie ihre eigene Genitalverstümmelung, die ihr im Alter von nur sechs Jahren auf dem Badezimmerfußboden angetan wird. Ihre Mutter ist damals unter den Schaulustigen und Zeugen der grausamen Gewalt gegen ihre Tochter. Das traumatische Erlebnis macht Nawal El Saadawi zur lebenslangen Gegnerin gegen die gefährliche Tradition und prägt ihren feministischen Kampf. Insgesamt verfasst sie im Laufe ihres Lebens 50 Sachbücher und Romane, die sich mit Themen wie Sexualität, Religion und auch kontroverser diskutierten Dingen wie Prostitution oder sexuellen Missbrauch befassen. 

“Ich spucke auf euch”

El Saadawis feministische Schriftstellerei und ihr Aktivismus machen ihr mächtige Feinde in der konservativen Riege des Landes – darunter auch der damalige Präsident Anwar as-Satad, der sie verhaften lässt. Ihre Erfahrungen im Frauengefängnis, betitelt mit „Ich spucke auf euch. Erfahrungen einer Frau am Punkt Null“ schreibt sie notgedrungen teilweise auf Toilettenpapier nieder. Drei Monate später ist der Präsident tot und El Saadawi wieder frei. Nach den permanenten Anfeindungen und Morddrohungen, die sie erhält, entschließt sich El Saadawi in die USA auszuwandern und kehrt erst 1997 zurück. 

Umstrittene Galionsfigur

Den Kampf gegen Genitalverstümmelung, die seit 2008 offiziell in Ägypten verboten, aber immer noch weit verbreitet ist, begleitet El Saadawi ihr ganzes Leben. Sie strebt nach Emanzipation der Frauen* in wirtschaftlicher, politischer, sexueller und kultureller Hinsicht – stets mit dem Hinweis, dass Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen* kein Charakteristikum des Nahen Ostens seien, sondern Gesellschaften weltweit durchdringe. El Saadawi ist für viele die Galionsfigur des ägyptischen Feminismus und dabei nicht immer unumstritten. Ihre Einstellung zu Make-up und „aufreizender Kleidung“ westlicher Frauen* stoßen auf Kritik, genauso wie ihre Unterstützung des Sisi-Regimes, unter dem es zu Menschenrechtsverletzungen kommt, die El Saadawi nicht thematisiert. 

So unverständlich und umstritten ihre politische Haltung in den letzten Jahren auch gewesen sein mag – Nawal El Saadawi hat Ägyptens gesellschaftlichen Diskurs maßgeblich beeinflusst und hinterlässt den ägyptischen Frauen* und der Welt ein großes feministisches und literarisches Vermächtnis. 

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