Der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen war in Österreich schon vor der Corona-Krise nicht einfach. In Krisen verschärfen sich Ungleichheiten und Missstände immer noch mehr, deshalb spitzt sich auch die Situation von ungewollt Schwangeren zurzeit zu.
Medizinische Einrichtungen sind aktuell ganz auf Corona eingestellt. Nicht dringende Operationen werden verschoben, Patient*innen werden aufgerufen, mit nicht lebensbedrohlichen Anliegen zuhause zu bleiben. Diese Vorgaben wirken sich auch auf Schwangerschaftsabbrüche aus. Viele sind verunsichert, darf ich für einen Abbruch überhaupt das Haus verlassen, geschweige denn in ein anderes Bundesland fahren? Und ist ein Schwangerschaftsabbruch ein medizinischer Notfall?
In Krankenhäusern und im niedergelassenen Bereich sollen in erster Linie Notfälle behandelt werden. Das führte so weit, dass im Wilhelminenspital eine Woche lang keine Abbrüche durchgeführt wurden. Auch in den kärntner Spitälern werden Abbrüche aktuell ausgesetzt und können nur noch im niedergelassenen Bereich durchgeführt werden. In der Steiermark werde sie überhaupt nur in Notsituationen nach Beurteilung des zuständigen Behandlungsteams, durchgeführt. Auch in Salzburg haben vermeintlich dringlichere Eingriffe Vorrang.
Doch wer definiert, was dringend ist? Bei einer Behandlung, die einer zeitlichen Begrenzung unterliegt, weil sonst Strafen drohen, sollte das eigentlich keine Diskussion sein.
Der Faktor „Dringlichkeit“, kann Frauen* bei der ohnehin schon schweren Entscheidung, noch zusätzlich belasten und lässt sie zu Bittstellerinnen werden.
Eingeschränkter Zugang
Schon vor Corona war der Zugang zu Abbrüchen laut der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF) mehr als schwierig. Im Burgenland gibt es keine einzige Ordination und auch kein öffentliches Spital, das Abbrüche durchführt. In Tirol und in Vorarlberg gibt es nur je eine Ordination, in der Abbrüche durchgeführt werden. Die meisten Frauen mussten also schon vor der Krise für den Eingriff nach Wien gefahren. Durch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit und zusätzliche Betreuungspflichten wegen geschlossener Schulen wird aber gerade das zum Problem.
Um solche Situationen in Krisen zu vermeiden, sollten Schwangerschaftsabbrüche endlich Teil der medizinischen Grundversorgung sein, um ein für alle Mal klar zu machen: Frauen* können selbstbestimmt über ihren Körper entscheiden.
In Österreich sind Strafen für einen Abbruch nach der 3-Monatsfrist übrigens im Strafrecht festgehalten, also gleichauf mit Tatbeständen wie Mord und Vergewaltigung.
Angesichts der massiven Arbeitslosigkeit, die die Krise ausgelöst hat, ist die finanzielle Situation gerade für viele Frauen noch prekärer als sonst schon. Ein Schwangerschaftsabbruch war in Österreich immer schon mit großen finanziellen Hürden verbunden, denn Abbrüche werden nicht von den Krankenkassen übernommen. Laut einem Artikel der Wienerin kostet der Eingriff in öffentlichen Spitälern rund 325 €, privat zahlt man zwischen 500 und 1 000 €. In Wien übernimmt die MA40 einmal im Leben die Kosten für einen Abbruch.
Möglichkeit medikamentöser Abbruch
Eine Lösung wäre es, den Zugang zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch zu erleichtern. Das Medikament Mifegyne ist in Österreich seit 1999 zugelassen, darf allerdings nur im Krankenhaus verschrieben werden und nicht von niedergelassenen Ärzt*innen. Schwangere nehmen Mifegyne in Kombination mit einem Prostaglandin ein. Dadurch zieht sich die Gebärmutter zusammen und der Embryo wird abgestoßen. Die Einnahme von Mifegyne ist bis zur neunten Schwangerschaftswoche zugelassen.
Mehrere österreichische prochoice-Organisationen fordern eine Lockerung der Bestimmungen zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch mit Mifegyne. Auf politischer Ebene fordert die SPÖ, dass es während der Krise in den Apotheken eine verschreibungspflichtige Abgabe von Mifegyne geben soll. Auch in Großbritannien wird eine Lockerung für die Zeit der Krise diskutiert. In Frankreich werden Pillenrezepte automatisch bis Ende Mai verlängert. Denn auch der Zugang zu Verhütungsmitteln, wie die Legung von Spiralen und die Verlängerung von Pillenrezepten, gestaltet sich durch Ausgangsbeschränkungen und Notbetrieben in medizinischen Einrichtungen als schwierig.
Corona als Ablenkungsmanöver
Manche Länder nutzen die Gunst der Stunde, um schon bestehende Gesetze noch weiter zu verschärfen. So hat der Gouverneur des Bundesstaates Texas (USA), Schwangerschaftsabbrüche für die Zeit der Krise auf die Liste der nicht dringenden medizinischen Eingriffe gesetzt. Begründet wurde das damit, dass Ressourcen wie Gesichtsmasken und Handschuhe für die Behandlung von Covid-Patient*innen und anderen medizinischen Notfällen aufgespart werden sollen.
Mehrere prochoice-Organisationen klagten erfolgreich dagegen. Gerichte haben nun geurteilt, dass während der Krise, zumindest der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch gewährleistet sein muss. Chirurgische Abbrüche bleiben weiterhin verboten.
Wachsam bleiben in Polen
Auch in Polen, wo es bereits eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas gibt, nutzt die Regierung die aktuellen Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, um eine Verschärfung des bestehenden Gesetzes durchzubekommen. Die Novelle sieht vor, dass auch bei einer Missbildung oder einer unheilbaren Krankheit des Fötus, ein Abbruch verboten sei. Derzeit ist ein Abbruch nur legal, wenn die Schwangerschaft das Leben oder die Gesundheit der Mutter gefährdet, sie das Ergebnis einer Vergewaltigung ist oder der Fötus eben Fehlbildungen hat. In erster Lesung im Parlament ging die Novelle durch, wurde aber in einem Unterausschuss aktuell gestoppt. Denn trotz der Ausgangsbeschränkungen fanden die Pol*innen kreative Wege, um zu protestieren: Sie hielten Transparente hoch in der Warteschlange vor Geschäften, blockierten mit Autos Straßen und verbreiteten in den sozialen Medien unter #piekłokobiet („Die Hölle der Frauen“) Tausende rote Blitze als Protestzeichen, teilweise auch auf Masken gemalt. Schon jetzt zwingt die Gesetzeslage jährlich geschätzt 150.000 Frauen zu einer illegalen Abtreibung, 1.000 finden legal statt. Dabei ist laut Umfragen die Mehrheit der Pol*innen, gegen eine Verschärfung des Gesetzes.
Zum Weiterlesen:
https://www.dw.com/de/abtreibungsverbot-in-texas-frauen-werden-sterben/a-53155922
https://www.dw.com/de/polen-proteste-gegen-die-verschärfung-des-abtreibungsgesetzes/a-53135011
Podcast (Spotify) „Darf sie das?“ von Nicole Schöndorfer, „Pro choice durch die Krise“
Beratung & Hilfe:
In Wien (MA40): https://www.wien.gv.at/sozialinfo/content/de/10/InstitutionDetail.do?it_1=2100594
Österreichische Gesellschaft für Familienplanung: https://oegf.at/verhuetung/schwangerschaftsabbruch/
Gynmed – Ambalatorium für Schwangerschaftsabbruch und Familienplanung: https://www.gynmed.at
Unterstützung für Schwangere in Notlagen: http://changes-for-women.org/?fbclid=IwAR25ZhFWpvBQjUBuBie2jmymY-9AYNA7hD8_jL5j0zBv6vhnuOr0bfZoHok#45