Sie steuern alles – die Psyche, den Stoffwechsel, das Wohlbefinden, den Schlaf bis hin zum Aussehen: die Hormone. Trotzdem wird in unserer Gesellschaft der Notwendigkeit eines ausgeglichenen Hormonhaushaltes nicht genug Bedeutung geschenkt.
Meine Geschichte
Seit meiner Pubertät kämpfte ich mit Akne, Wassereinlagerungen, einer depressiven Grundstimmung und Gewichtsschwankungen; Um nur ein paar Faktoren zu nennen.
2011 erklärte mir eine Gynäkologin, dass meine Hormone ,,nur etwas aus dem Gleichgewicht geraten wären“ und sich das von selbst regulieren würde. Meinen schnellen Muskelaufbau und als Frau Tenor singen zu können befand ich als einziges nie als negativ.
Im Mai 2019 erreichten meine Beschwerden schließlich ihren Höhepunkt.
Die Akne breitete sich auf meinem ganzen Körper aus wie schon seit der Pubertät nicht mehr, mein Gesicht schwoll stark an, beim Sport konnte ich wegen Wassereinlagerungen in den Händen teilweise keine Fäuste mehr machen.
Massive Stimmungsschwankungen, eine Gewichtszunahme von 7kg trotz viel Sport und kalorienreduzierter Ernährung, Haarausfall und überdurchschnittlicher Muskelaufbau begleiteten mich seither tagtäglich.
Ich lief von einer Lipödem- Untersuchung zum Neurologen, zum Cardiologen zu PsychologInnen, zu HausärztInnen, zu einer Esoterikerin, zum Gynäkologen. Immer wurde ich mit meinen Anliegen mit Aussagen wie: ,,Akne ist erblich bedingt, damit müssen Sie sich abfinden“, oder : ,,Sie sind Mitte der Neunziger geboren und gehören der „Generation Y“ an – ihr seid alle depressiv“ abgespeist; bis mich endlich ein Gynäkologe in Wien ernst nahm.
Die lang ersehnte „Diagnose“
Ich hatte großes Glück, an einen sehr kompetenten Gynäkologen in Wien zu geraten. Direkt nach der Schilderung meiner Beschwerden vermutete er das PCO- Syndrom.
Nach einem Besuch im Labor, zwei Wochen Wartezeit und der darauffolgenden Befundbesprechung endlich die Erleichterung- kein PCOS, „nur“ zu hohe Testosteron und DHEA-S- Werte. Ich kann schwer in Worte fassen, wie erleichtert ich in diesem Moment war.
Meine Hormonhaushaltsstörung lässt sich verhältnismäßig einfach mit der Einnahme einer antiandrogenen Pille eindämmen und hat weniger Langzeitauswirkungen als PCOS. Diese Art der Pille hemmt die männlichen Geschlechtshormone und sorgt so für ein hormonelles Gleichgewicht. Sie wird auch bei Patientinnen mit PCOS eingesetzt.
PCOS
Das Polyzystisches Ovar-Syndrom ist eine Erkrankung bei der erhöhte Androgen- Werte (Testosteron, Dehydroepiandrosteron– DHEA und weitere, hauptsächlich Steroidhormone) zu einem hormonellen Ungleichgewicht führen. Daraus ergibt sich kurzgesagt eine „Vermännlichung“ der Patientin. 4- 15 % der Frauen im gebärfähigen Alter sind weltweit betroffen.
Eine unglaubliche Zahl, wenn man sich vor Augen führt, wie wenige von uns darüber Bescheid wissen. Die häufigsten Beschwerden des Syndroms sind Übergewicht, Kopfhaarausfall, Akne, Hirsutismus (übermäßige Körperbehaarung außer am Kopf), ein gestörterZuckerstoffwechsel (Insulinresistenz), Diabetes, Unfruchtbarkeit und auch ein männliches Erscheinungsbild.
Die Ursachen für die Erkrankung können noch nicht gänzlich nachvollzogen werden, weswegen es anhand eines Ausschlussverfahrens diagnostiziert wird.
Es gibt keine völlige Heilung, die Auswirkungen von PCOS lassen sich aber eindämmen. Ab Annäherung an die Menopause nehmen die Beschwerden schleichend ab – was für mich als junge Erwachsene ein nicht sehr aufmunterndes Argument war und es wohl auch kaum für jemand anders ist.
Die Pillen- Debatte
Ich bin begeistert von den vielen verschiedenen Meinungen über die Pille, wie kritisch die Thematik von uns Frauen mittlerweile betrachtet wird und stehe hinter vielen Argumenten die gegen diese Art der Verhütung sprechen. Dennoch sollte man nicht außer Acht lassen, dass die kleinen Kapseln viele Frauen vor massiven Beschwerden bewahren.
Vorsicht ist dennoch geboten – die Einstellung auf eine falsche Pille kann die Auswirkungen einer Hormonhaushaltsstörung oder eines PCO- Syndroms verschlimmern.
Ein neues Lebensgefühl
Seit der Einnahme der antiandrogenen Pille (aktuell 3 Monate), fühle ich mich ungewohnt wohl in meinem Körper und allgemein wie ein anderer Mensch. Mein Gewicht hat sich merklich reduziert, von den anderen Beschwerden merke ich kaum bis gar nichts mehr; vor allem bin ich sehr viel glücklicher und emotional stabiler als in den Jahren davor.
Viele meiner Ansichten haben sich nach der Auseinandersetzung mit diesem Thema verändert. Um nur ein Beispiel zu nennen – die Ursache für Übergewicht von Mitmenschen. Man weiß nicht womit ein Mensch täglich zu kämpfen hat und sollte daher nie urteilen, ohne dessen Umstände zu kennen.
Ich bin meinen engsten Freunden, meiner Mutter und meinem Partner unglaublich dankbar dafür, dass sie diese Zeit mit mir durchgestanden haben. Und dieser phantastische Gynäkologe wird mich definitiv auch nicht mehr los.
Viva La Vulva Gastautorin
Lisa
Mein Name ist Lisa, ich wurde 1995 in Gmunden geboren und habe dort eine wunderbare Kindheit genossen. 2017 bin ich nach Wien gezogen um hier zu studieren und bin- wie es seither aussieht- gekommen um zu bleiben.