Gastbeitrag

Date yourself!

Wie jetzt? Ich soll mich selbst daten? Ja, und zwar mit allem, was dazugehört!

 

Vor einigen Jahren, nach einer unschönen Trennung und einem Erlebnis, das ich lieber nicht gehabt hätte, kam mir die Erkenntnis, dass ich am Ende des Tages auf mich selbst gestellt, alleine und vor allem mit meinen Gedanken alleine bin. Zu Beginn traf mich dieses Aha-Erlebnis wie ein Schlag ins Gesicht. Nach und nach erkannte ich jedoch, dass alleine sein angenehm, erholsam sowie beruhigend ist und ich endlich wieder Zeit für all die Dinge habe, die ich schon eeeeewig vor mir hergeschoben habe oder einfach nur für mich.

 

FÜR MICH.

 

Was bedeutet das eigentlich, Zeit für mich zu haben? Heißt das, dass ich jetzt Wäsche waschen kann, wie und wann ich will. Endlich all die Blusen bügeln kann, die schon gefühlt seit Monaten im Wäschekorb vor sich hin knittern? Natürlich steht es mir frei aus einer Fülle an Optionen zu wählen, um meine Zeit zu füllen, ohne wirklich mit mir Zeit verbringen zu müssen. Heute sehe ich das lediglich als Ablenkung vor dem Alleinsein. Denn eigentlich will ich mehr Zeit FÜR mich haben – nicht für meinen Haushalt.

 

Es ist jetzt zirka 5 Jahre her, dass ich erkannt habe, dass ich für den Rest meines Lebens tagein, tagaus, 24/7 nur und zwar ausschließlich nur mit mir verbringen werde. Egal, ob es regnet, schneit, die Sonne scheint oder Freunde zu Besuch sind. Egal, wer noch dabei ist, ich bin es definitiv auch. Das letzte, das ich vor dem Einschlafen höre, sind meine Gedanken, und das erste das ich morgens begreife, bin ich selbst. Und das ist wunderschön. Ich bin so froh, dass es mich gibt und niemand anderen.

 

Die großartigste Person in meinem Leben, bin ich. Denn ohne mich gäbe es mich nämlich nicht. Self-love, Baby!

 

Trotzdem komme ich noch einmal kurz zurück zu dem damaligen Moment meiner großen Frustration, der großen Erleuchtung über das Positive des Alleinseins und ein paar Gläschen Wein zu viel, habe ich festgestellt, dass es mir eigentlich gut gehen sollte. Denn ich studiere – mehr oder weniger – erfolgreich, ich habe einen Job, der mir das ein oder andere Treatment verschafft, außerdem habe ich ganz tolle Freunde, die immer für mich da sind, sowie meine Familie, die ich gegen nichts auf dieser Welt eintauschen würde, egal wie sehr sie mich von Zeit zu Zeit auch nerven.

 

Trotz alledem ging es mir nicht gut. All das stellt eigentlich die beste Basis für einen positiven Gemütszustand dar, doch glücklich war ich trotzdem nicht. Warum? Heute weiß ich, dass ich mich selbst nicht liebte. Als ich es damals realisierte, beschloss ich, das zu ändern.

 

Jeden Morgen stellte ich mich nackt vor den Spiegel, um meinen Körper zu betrachten und mir selbst laut zu sagen, was ich an mir liebe, sexy, ausgefallen oder toll finde. Ja, ich weiß, das klingt echt absurd, aber es hilft, es laut auszusprechen, um sich selbst wertzuschätzen. Dieser Prozess dauert und die dahinter verborgene Einstellung zu sich kann sich nicht von dem einen auf den anderen Tag ändern. Das ist uns allen bewusst. Ich musste mich erst überwinden, weshalb ich mir kleine Aufgaben gegeben habe. Mal ehrlich, es ist verdammt schwierig alleine und auf sich gestellt in die Öffentlichkeit zu gehen, wenn es darum geht, etwas zu unternehmen, das allgemein hin als soziales und interaktives Unterfangen betrachtet wird.

Hier eine kurze Erläuterung, wie ich persönlich begonnen habe: Mit einem guten Thriller gewappnet setzte ich mich in ein kleines Café mit maximal fünf Tischen. Zuerst der Tisch in der Ecke, den keiner sieht, wenn man das Lokal betritt. Später der Platz in der Auslage oder der Tisch gleich neben der Tür. Ich dachte mir, ich muss mich selbst challengen. Immer einen Schritt weiter aus meiner geliebten Komfortzone. Die erste Hürde stellte rein das Bestellen meines Kaffees dar. Der Kellner kommt vergnügt zu mir an meinen Tisch und fragte mich: „Willst du noch auf deine Begleitung mit dem Bestellen warten?“ Ich hob mein Buch und schmunzelte: „Ist schon da.“ Also habe ich bestellt, mein Handy bewusst in der Tasche gelassen und begonnen zu lesen. Und es war schön. Das Buch war toll, der Kaffee lecker und die Atmosphäre richtig angenehm.

 

Irgendwann, also vor ungefähr 1,5 Jahren habe ich dann die „Date-myself-night“ eingeführt.

 

Ein Abend pro Woche, der nur mir gehört. Egal, ob ich gerade voll im Unistress war oder einen Partner hatte. EIN ABEND NUR FÜR MICH.

 

Gar nicht so einfach. Alleine im Café sitzen ist eine Sache, aber mich zu daten eine ganz andere. Was sollte ich denn nur mit mir anstellen? Irgendwie komisch. Aber machbar! Also: Challenge accepted.

 

Wieder dachte ich mir: Klein anfangen und langsam steigern. Das erste richtige Date mit mir selbst. Puh, was könnte ich machen, was mir richtig viel Spaß macht und bei dem ich mich wohl fühle. Sport. Definitiv Sport. Kurzum buchte ich mir einen Yogakurs und nach dem Deep-Stretching-Inner-Core-wie-auch-immer-super-anstregenden-Kurs lud ich mich selbst zum Essen ein. Und zwar in das Lokal, in das ich schon immer wollte. Der Mexikaner in der schmalen Seitenstraße rechts von der Haltestelle der 2er-Linie. Als ich dort ankam – frisch geduscht und schön gemacht – wieder die gleiche erste Frage: „Einen Tisch für 2 Personen?“ „Nein danke, ich esse heute alleine.“ Ein verwirrter Blick wurde mir entgegengeworfen. Ich lächelte und erntete ein verschmitztes Lächeln und wurde zu einem kleinen Tisch neben dem Klo geführt. Nicht gerade der schönste Platz im Restaurant, aber egal, dachte ich mir. Das Essen war köstlich. Ich versuchte mir Zeit zu nehmen und jeden Bissen zu genießen. Die Blicke der Gäste versuchte ich zu ignorieren. Wurde ich wirklich angestarrt oder bildete ich mir das ein? Nachdem ich mich bereits öfter selbst, aber bewusst, zum Dinner ausgeführt habe, weiß ich heute, dass es die meisten Menschen herzlich wenig interessiert, was ich und mit wem ich esse. Also lasst die Starrer links liegen und befasst euch nur mit euch selbst!

 

Manchmal gehe ich zum Sport, manchmal koche ich ein richtig leckeres Abendessen für mich, das ich mir danach auf der Zunge zergehen lasse, gehe ins Kino oder ins Theater. Oder ziehe mir die Jogginghose an, lege die Füße hoch, mache mir Popcorn in der Mikrowelle und ziehe mir die neueste Folge meiner Lieblingsserie rein. Andere Male lese ich ein Buch im Park oder fahre mit meinem Rad oder meinen Inline-Skates die Donauinsel rauf und runter. Im Sommer lege ich mich an die Neue Donau und beobachte die Wolken, wie sie über meinen Kopf hinwegziehen, bis ich mich selbst zu einem Wettschwimmen herausfordere.

 

Wichtig ist, dass ihr euch bewusst mit euch auseinandersetzt oder euch etwas Gutes tut.

 

Zum Schluss möchte ich, dass ihr euch überlegt, – egal ob Single oder nicht – ob ihr euch selbst liebt. Denn nur wer sich selbst liebt, ist offen dafür, die Liebe von anderen anzunehmen. Ich liebe mich und ich date mich wirklich gerne.

 

Viva La Vulva Gastautorin
Viviane Huber
Kreativ, lebenslustig und zufrieden. Außerdem auf der Suche nach dem Dasein, das mir Freude bereitet und zu meiner Zufriedenheit beiträgt.
Alle sollen so leben und lieben, wie sie möchten, denn alle wissen am besten, was das Beste für sie ist.
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